Die Kranichbeine

Eine Übung mit JQuiz

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Die Kranichbeine

Zentrale Aufnahmeprüfung 2013 für die Langgymnasien des Kantons Zürich
Textblatt für die Sprachprüfung

1 Currado war ein vornehmer, freigebiger Herr, der ein ritterliches Leben führte und stets Vergnü-
2 gen an der Jagd hatte. Als er eines Tages einen Kranich erlegt hatte und ihn noch jung und fett
3 fand, übergab er ihn seinem guten Koch mit dem Auftrag, er solle ihn zum Abendessen braten.
4 Der Koch, der ein leichtsinniger Schalk war, richtete den Kranich zu und begann, ihn sorgfältig zu
5 braten. Als derselbe schon beinah fertig war und stark duftete, kam ein Mädchen aus der Gegend
6 mit Namen Brunetta in die Küche, und als sie den Kranich roch und sah, bat sie den Koch aufs
7 inständigste, er möchte ihr eine Keule davon geben. Nach einer langen Unterhaltung schnitt end-
8 lich der Koch, um Brunetta nicht zu erzürnen, ein Bein von dem Kranich ab und gab es ihr.
9 Als nun der Kranich Herrn Currado vor seinen Gästen aufgetragen wurde, liess dieser vor Ver-
10 wunderung den Koch rufen und fragte ihn, was aus dem andern Bein geworden sei. Der Windbeu-
11 tel antwortete frischweg: «Gnädiger Herr! Die Kraniche haben nur ein Bein.» Erzürnt sprach nun
12 Currado: «Wie zum Henker! Sie haben nur ein Bein? Ist dies der erste Kranich, den ich sehe?»
13 Der Koch fuhr fort: «Es ist so, gnädiger Herr, wie ich es Euch gesagt habe; wenn es Euch gefällig
14 ist, will ich es Euch an den lebendigen zeigen.» Aus Rücksicht auf die Gäste, die er bei sich hatte,
15 wollte Currado nichts weiter wissen, sondern sagte: «So will ich es mir morgen von dir zeigen
16 lassen; aber ich schwöre dir bei meiner Ehre, wenn es anders ist, so will ich dich auf eine Weise
17 zurichten lassen, dass du dich, solange du lebst, an meinen Namen erinnern wirst.» Hiermit war
18 der Streit für diesen Abend aus. Des andern Morgens aber mit Tagesanbruch stand Herr Currado
19 immer noch ganz erbost auf und liess die Pferde vorführen. Hierauf befahl er dem Koch, einen
20 Klepper zu besteigen, und ritt mit ihm an einen Fluss. Unterwegs sagte er: «Wir werden jetzt bald
21 sehen, wer gestern gelogen hat, du oder ich.»
22 Schon waren sie in der Nähe des Flusses, als der Koch am Ufer wohl zwölf Kraniche bemerkte,
23 die alle auf einem Fuss standen, wie sie im Schlaf zu tun pflegen. Sogleich zeigte er sie Currado
24 und sagte: «Nun könnt Ihr deutlich sehen, dass ich gestern wahr gesprochen habe, wenn ich
25 behauptete, die Kraniche haben nur ein Bein; seht nur diese an, die dort stehen.»
26 Als Currado sie erblickte, sagte er: «Warte nur, ich will dir schon zeigen, dass sie zwei haben.» Er
27 ritt näher hinzu und rief: «Ho, ho!» Auf diesen Rufwachten die Kraniche auf, liessen ihren andern
28 Fuss herab, machten ein paar Schritte und flogen davon.
29 Nun wandte sich Currado zu seinem Koch und sagte: «Was meinst du, Schuft, glaubst du jetzt,
30 dass sie zwei haben?» Der Koch in seiner Bestürzung wusste selbst nicht, wie er dazu kam, aber er
31 antwortete: «Ja, gnädiger Herr, aber Ihr habt gestern Abend nicht ‹Ho, ho› gerufen, sonst hätte der
32 Kranich gewiss auch sein anderes Bein gezeigt, wie diese hier.» Herrn Currado gefiel diese Ant-
33 wort so gut, dass sich sein ganzer Zorn in Heiterkeit verwandelte, und er sagte: «Du hast recht, das
34 hätte ich freilich tun sollen.» So wandte der Koch sein Unglück ab und versöhnte seinen Herrn.
Nach Giovanni Boccaccio

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Text zu Aufgabe 8, 9, 10
Kranich-Invasion treibt Israelis zur Verzweiflung
Kraniche galten/gelten in manchen Kulturen als Symbol für Klugheit, Glück oder
ein langes Leben. Lange Zeit war/waren für Israels Bauern die vielen Zugvögel
jedoch die reinste Pest.
Die Geräuschkulisse ist ohrenbetäubend. Es klingt/klang wie eine Mischung aus Trompeten, Trillern und Pfeifen. Mehr als 30'000 Graue Kraniche überwintern jedes Jahr im Hula-Tal im Norden Israels. Touristen lieben die majestätisch wirkenden Schreitvögel. Die Bauern warteten bis vor kurzem hingegen noch sehnsüchtig darauf, das/dass die "Plagegeister" Ende Februar bis anfang/Anfang März endlich wieder den Abflug auf/zu/nach Europa machten.
Die Schnäbel der Kraniche stehen von vier Uhr morgens bis zwei Stunden nach Sonnenuntergang praktisch nicht still. „Sie sprechen die ganze Zeit, weil/denn das hält die Gemeinschaft zusammen“, erklärt Nadav Israeli, Leiter des Vogelzentrums im Hula-Naturschutzgebiet.
Aber die Vögel sind nicht nur ungemein/wenig kommunikativ, sie fressen auch gern. Kichererbsen sind beispielsweise eine Delikatesse. Und genau hier spielte
sich ein jährlich wiederkehrender Konflikt mit/ab/auf – zwischen den Zugvögeln,
Naturschützern und die/der/dem Tourismusindustrie einerseits sowie Bauern, die um ihre Ernte fürchteten, andererseits. „In den Augen der/dem/des Bauern waren sie eine Pest wie Nager“, sagt Israeli.
Heute herrscht ein brüchiger Frieden zwischen den Streitparteien. Diese/Dieser
beruht auf einem sehr wirksamen/wirksamem Mittel: Bestechung. Die Kranich-
Kolonie hat nämlich ein Quartier für die Winterferien mit Halbpension reservieren/reserviert bekommen. Wenn ein Traktor das Futter auf ein riesiges, brachliegendes Feld bringt, nimmt der Lärm von Zehntausenden aufgeregten Vögeln noch um ein paar Dezibel zu. Aber/Immerhin heute fressen sie den Bauern wenigstens nicht mehr die Ernte weg.