Ein guter Rat

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Ein guter Rat

1 Ein Hodscha* hatte einmal eine Stellung als Diener bei einem Richter. Zu diesem

2 Richter kam eines Tages ein Pastetenbäcker**, um einen Bettler zu verklagen:

3 «Der Kerl hier kommt jeden Tag in meine Bäckerei, isst sein trockenes Brot und

4 schnuppert dazu den Duft meiner Pasteten!», beklagte er sich.

5 «Ja, was soll denn das?», fragte der Richter den Bettler, den der Bäcker am Ärmel

6 hinterhergeschleift hatte. «Ach», sagte der Bettler, «jeden Tag nur altes, trocke-

7 nes Brot essen, das nimmt einem doch jede Freude am Leben. Wem schadet es

8 schon, wenn ich mein Brot ein wenig mit dem Duft seiner Pasteten würze?»

9 «Nichts da», sagte der Bäcker, «die Pasteten gehören mir, also gehört mir auch

10 ihr Duft. Und wenn er den haben will, dann soll er ihn mir auch bezahlen!»

11 «So einen Fall habe ich noch nie gehabt», sagte er Richter. «Darüber muss ich

12 nachdenken!» Am Abend erzählte der Richter im Familienkreis von dem Fall,

13 und auch der Hodscha hörte davon. Als der Richter sagte, dass er noch immer

14 nicht wisse, wie er entscheiden solle, sagte der Hodscha: «Ach, wenn Sie mich

15 den Fall entscheiden lassen wollen, hätte ich vielleicht schon eine Lösung.»

16 Der Richter war einverstanden, und am nächsten Tag standen der Bäcker und

17 der Bettler wieder vor dem Gericht. Ob er überhaupt Geld habe, fragte hier der

18 Hodscha den Bettler.

19 «Nur einen kleinen Notgroschen, Herr, für den Fall, dass ich einmal krank werde

20 und nicht einmal um trockenes Brot bitten kann.»

21 Da befahl der Hodscha dem Bettler streng, sein Geld auf den Tisch zu legen.

22 Zitternd kramte der Bettler ein kleines Beutelchen aus seinem Gewand.

23 Der Hodscha öffnete es, und es waren ein paar Kupfergroschen und zwei Silber-

24 münzen drin; dann nahm er die zwei Silbermünzen heraus, warf sie auf den Tisch,

25 dass sie fröhlich klingelten, und fragte den Bäcker: «Nun, was hältst du davon?

26 Klingt das gut?»

27 «0 ja», sagte der Bäcker, «sehr gut!», und er wollte nach den Münzen greifen.

28 «Nichts da!», sagte der Hodscha, nahm die Münzen und gab sie dem Bettler wie-

29 der. «Für den Geruch der Pasteten genügt der Klang des Geldes als Bezahlung!»

30 Der Richter stimmte dieser Entscheidung zu, und der Bäcker musste sich ge-

31 schlagen geben.

(nach Martin Auer, Herr Balaban und seine Tochter Selda)

* Hodscha Lehrer (persisch-türkisches Wort)

** Pastete Fleischspeise mit Teighülle